Die Albrechtsburg als Ort der Neugründung Sachsens am 3. 10. 1990
Als sich zum 3. Oktober 1990 0 Uhr das 1945 in drei westliche und eine sowjetische Besatzungszone sowie 1949 in einen westdeutschen und einen ostdeutschen Teilstaat gespaltene Deutschland neu vereinigte, wurde im Zeichen von Tradition und Neubeginn auch der Freistaat Sachsen neu gegründet. Denn die Wiedererrichtung des sächsischen Staates aus den bisherigen DDR-Bezirken Leipzig, Chemnitz (Karl-Marx-Stadt) und Dresden erfolgte, ebenfalls an jenem historischen 3. Oktober 1990, mit einem feierlichen Akt in Meißen - hoch über der Stadt auf dem Burgberg, in der Albrechtsburg. Nicht im stolzen Dresden, der ehemaligen und bald wieder in ihre alte Rolle findenden Landeshauptstadt an der Elbe, die sich im Beinamen auch gern „Elbflorenz" nennen lässt, kehrte das 1952 unter DDR-Signum aufgelöste Land Sachsen im Rahmen des deutschen Einigungsprozesses in die Geschichte zurück, nicht im Zwinger oder einem anderen Prachtbau August des Starken - nein, mit Absicht mit einer staatstragenden Feier in der monumentalen Albrechtsburg in Meißen, die ursprünglich einmal als Residenzschloss unter den kurfürstlichen Brüdern Ernst und Albrecht im 15. Jahrhundert anstelle des früheren Markgrafenpalais erbaut worden war - doch währte die Bauzeit zu lange und inzwischen kam das etwa 30 Kilometer entfernte Dresden zum Zuge und im Laufe der folgenden Jahrhunderte von residialer Bedeutung zu barocker Ausgestaltung.
Nicht nur interessierte Beobachter der Zeit fragten sich, warum für diesen Gründungsakt des neuen Sachsen das alte Meißen am 3. Oktober 1990 noch einmal aus den Schatten Dresdens treten durfte. Der Grund ist einfach und ein historischer: Denn damit fand das neue Sachsen seinen Anbeginn an der Wiege des alten. Warum sich das so verhält, ist schnell erzählt:
„Jedes Volk steht auf seiner Vorzeit, und d dasjenige, welches sie kennt und ehrt, wird sich stets besser erkennen und ehren lernen [...]" - was Prinz Johann, der spätere König von Sachsen, der von 1854 bis 1873 regierte, zwei Jahre vor seiner Inthronisation, im Jahre 1852, auf der Hauptversammlung der deutschen Geschichts- und Altertumsvereine in Dresden verkündete, meint nichts anderes, als dass ein Land und seine Bevölkerung immer das Resultat einer langen historischen Entwicklung sind, deren Kenntnis auch erst Verständnis für die Gegenwart eröffnet. Beides trifft insbesondere auch auf das Land Sachsen zu. Es trat im 10. Jahrhundert deutlich als Territorium in die Geschichte - aber noch lange nicht unter seinem heutigen Namen, sondern als Markgrafschaft Meißen, die ab 1046 unter dem Namen Meißen bezeugt ist. Hier in Meißen hatte 929 der erst zehn Jahre zuvor als Heinrich I. zum König der Deutschen erhobene Herzog der Sachsen an einem Felsvorsprung im Elbtal, der sich steil über einer Furt erhob, eine deutsche Burg errichten lassen, als Zeichen seines siegreichen Heerzuges gegen die Elbslawen, die hier nach 600 eingewandert waren und vor allem in den für landwirtschaftliche Nutzung geeigneten Offenlandschaften siedelten, im Osten des jungen regnum Teutonicum, des 919 mit Heinrichs Wahl begründeten „Reichs der Deutschen". Heinrich war ausgezogen, die Ostgrenze seiner Stammlande zu sichern, und eroberte das Land zwischen Elbe und Saale, das bisher die slawischen Sorben bewohnten. Zur Sicherung des für die Deutschen neu gewonnenen Landes im Mittelelbegebiet ließ Heinrich ein ganzes System von Burgen aufbauen und auch die an dem Felsplateau über der Elbe errichtete Fluchtburg, die er nach dem vorbeifließenden „Meisabach" am Nordhang des Burgbergs „Misni" benannte, wurde zu einem wichtigen militärischen Stützpunkt im Sorbenland sowie ab seit 968/982 zum Grundstein der Mark Meißen, dem Kerngebiet des heutigen Sachsen. Denn dem deutschen Krieger folgte schnell der deutsche Priester. Seine Aufgabe war klar: Christianisierung der unterworfenen Sorben. Unter Heinrichs Sohn Otto I., dem Großen, entstand dann 968 ein Bistum Meißen, Ausgangspunkt des späteren Teritorialgebildes. Von ihm künden heute noch das Ende des 15./Anfang des 16. Jahrhunderts erbaute ehemalige Bischofsschloss und die Domherrenhöfe auf dem Burgberg. Zur Verwaltung des Grenzgebietes, Mark genannt, setzten die deutschen Könige einen Markgrafen ein, der seit 1046 auf der späteren Reichsburg Meißen residierte. Sie wurde ab 1471 von dem Baumeister Arnold von Westfalen zur dreigeschossigen Albrechtsburg um- und ausgebaut. Heute noch beeindruckt ihr unregelmäßiger Grundriss sowie der kleine und große Treppenturm mit dem berühmten Wendelstein.
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Bildquellen:
Blick vom Aussichtspunkt Juchhöh im Spaargebirge auf Meißen. Urheber: Olaf1541 via Wikimedia Commons. CC BY-SA 3.0
Albrechtsburg und Dom in Meißen. Urheber: Unukorno, via. Wikimedia Commons. gemeinfrei